
Wer mit Auto-Journalist:innen und anderen so genannten Car-Guys über China spricht, hört das Wort Druck immer wieder. Dieser steige für deutsche und andere ausländische Automobilhersteller immer stärker. Dabei wird zwar viel über technologische Versäumnisse, zum Beispiel bei E-Mobilität und Software, diskutiert – aber kaum über Wünsche und Werte der (potentiellen) Käufer:innen sowie die Stärken der einheimischen Anbieter. Ein Fehler.
Wer verstehen will, warum etablierte Marken in Fernost Marktanteile verlieren, muss auch die Dynamik im chinesischen Markt selbst und die Erfolgsstrategien lokaler Player betrachten und verstehen. Zwei Punkte sind dabei zentral – zum einen speziell für Autos, sind zum anderen übergreifend für Marken:
1. Automarkt im Rausch: Reizvoll, aber brutal kompetitiv
Der chinesische Markt befindet sich inmitten eines umfassenden Wandels, etwa im Vergleich zu Europa: Der Umstieg auf Elektromobilität hat dort nicht nur früher begonnen und schneller Schwung aufgenommen, sondern erfolgt auch mit höherem Tempo und mehr Wettbewerbern. Mehr als 100 Automarken, darunter etablierte Unternehmen wie Build Your Dreams (BYD), liefern sich einen massiven Verdrängungswettbewerb. Beispiel BYD. Als reiner Batteriehersteller 1995 gegründet, hat man sich zur ernstzunehmenden Konkurrenz für Tesla, Hyundai-Kia & Co. entwickelt – und allein im vergangenen Jahr 4,27 Millionen E- oder Hybrid-Autos verkauft, ein Anteil von 18 % am globalen E-Auto-Markt. Zugleich überhitzt dieser Markt zusehends; das führt zu einem Preiskampf, der nicht nur für westliche Anbieter schwierig ist. Heißt: Auch chinesische Hersteller stehen unter Druck.
2. Die unterschätzte Strahlkraft chinesischer Marken
Generell betrachtet: Lange wurden chinesische Marken im Ausland – und auch im Inland – primär über den Preis wahrgenommen. Diese Zeit ist vorbei. In vielen Konsumgüterbranchen zeigen chinesische Brands inzwischen, dass sie mit westlichen Wettbewerbern auf Augenhöhe agieren – und die kulturell bessere Passung bieten.
Marken wie Luckin Coffee (Kaffee/Snacks, ähnlich Starbucks), Chow Tai Fook (Schmuck) oder Florasis (Kosmetik) beweisen: Erfolgreiche chinesische Unternehmen sind nah an ihren Zielgruppen, bedienen lokale Präferenzen und sind zugleich weit über die großen Metropolen hinaus präsent. Ihre Markenführung basiert nicht auf globaler und universeller Strahlkraft, sondern auf konkreter Alltagsrelevanz. Das macht sie direkt anschlussfähig – und stark.
Diese Entwicklung lässt auf die Automobilbranche übertragen: Chinesische Hersteller sind keine Billiganbieter, sondern stehen für hohe Produktqualität – und überzeugen mit Markenidentitäten, die Emotionalität, Technik und Lifestyle klug verknüpfen.
Lernen statt Lamentieren
Blick zurück auf Deutschland: Viele Reaktionen hiesiger Hersteller erinnern an die Kommentare im Kreise von Familie und Freunden angesichts schwacher Leistungen der deutschen Herren-Fußball-Nationalmannschaft. Zuerst wird das eigene Team kritisiert – dann der Gegner unterschätzt. Doch wer kämpfen will, sollte vor allem eines tun: Den Wettbewerb ernst nehmen, sich systematisch neu ausrichten und angreifen.
Wenn besser noch zu wenig ist
Gleichwohl: Es reicht nicht, nur auf Produktbasis besser zu werden. Deutsche Automarken müssen lernen, Relevanz vor Ort und eigenen Charakter zu entwickeln. Mit differenzierter Markenführung, kulturellem Feingefühl und klaren Nutzenversprechen für konkrete Zielgruppen. Wer den chinesischen Markt gewinnen will, muss ihn nicht nur kennen, sondern in ihm denken und handeln. Man muss die Menschen, ihre Werte, Gefühle und Verhalten verstehen, um sie zu erreichen – und dann gezielt überzeugen zu können.
FAQ: China calling – wie deutsche Marken in China wirklich ankommen
Was unterscheidet den chinesischen Markt vom deutschen?
Hohe Geschwindigkeit, mehr Wettbewerb, technologische Offenheit – und eine Zielgruppe, die Wert auf Innovation und pragmatische Lösungen legt.
Was müssen deutsche Automarken jetzt tun?
Kulturell relevante Markenarbeit leisten, differenzierte Zielgruppenansprache entwickeln, Modell und Angebote lokaler denken und umsetzen – und wo möglich global skalieren.
Was bedeutet das für Marktforschung und Markenentwicklung?
Tiefliegende Zielgruppen-Bedürfnisse und -werte, kulturelle Kontexte und Entscheidungslogiken vor Ort verstehen.
Wie hilft die GIM dabei?
Zum Beispiel mit Standortstudien, Markenanalysen und Zielgruppenzugangsmodellen für den chinesischen Markt. Von Automotive bis Beauty – von Yoghurt bis Zahnarztstuhl: Unsere Teams liefern Insights, die Ihnen Zugang zu den gewünschten Zielgruppen verschaffen – und ihre Marke fest im Mindset der Menschen etablieren.