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Energiemarkt im Wandel: Chancen der Neuausrichtung zwischen Stabilisierung & Volatilität

Zuletzt aktualisiert: 26. Juni 2023

Kaum ein anderer Markt ist so stark im Wandel wie die Energiebranche. Bestrebungen zur Nachhaltigkeit und Unabhängigkeit von externen Energiequellen und -lieferanten rufen Unternehmen und Verbraucher zum Handeln auf. Hersteller von Solarpanels, Heizungen und Wärmepumpen rüsten auf. Engpässe entstehen. Installateure sind gefragt wie nie. Und mittendrin die Energieversorger, deren Zielgruppe sich einerseits immer mehr vom passiven Verbrauchenden zu Expert:innen transformieren, andererseits aber aufgrund des Wandels auch verstärkt einordnender Expertise bedürfen. Mit Blick auf Geschäftskunden zeigt sich, dass die hohen Energiekosten für Unternehmen die deutsche Wirtschaft unter Druck setzen und deren Wettbewerbsfähigkeit auf den Weltmärkten beeinträchtigen können.

Die GIM forscht seit Jahrzehnten für Unternehmen in der Energiebranche. Unsere Expert:innen Dr. Tomas Jerković und Julia Haug erläutern, worauf es derzeit für Unternehmen ankommt, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Klimawandel, Energiewende, Ukraine-Krieg – welchen Einfluss hat die aktuelle wirtschaftliche und gesellschaftspolitische Lage auf die Bedürfnisse von Energiekunden?

Dr. Tomas Jerković: Ein wesentlicher Aspekt ist der Wunsch nach Aufklärung und Informiertheit. Kund:innen haben Probleme, den Überblick über Energiekosten und Gesetzesänderungen zu behalten. Es besteht die Sorge, dass staatliche Subventionen nicht an die Endkund:innen weitergegeben werden und es eine mangelnde Information über unklare Gesetzesentwicklungen gibt, wie zum Beispiel im Zusammenhang mit dem Heizungsgesetz.

Die drastischen Preissteigerungen haben Kund:innen gezwungen, aktiv zu werden und kritischer gegenüber ihrem Energieanbieter zu sein.

Julia Haug: Und das wiederum führt zu einer gesteigerten Aufmerksamkeit für Verträge. Preissicherheit, Kostentransparenz und rechtliche Sicherheit sind Kernbedürfnisse des heutigen Energiekunden. Hinzukommt der Wunsch nach Autonomie und Unabhängigkeit durch regenerative Energien. Einerseits der Umwelt zuliebe, andererseits durch die Zwangslage aufgrund der politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen – also schlicht aus Kostengründen.

Viele Endverbraucher haben seit der Energiekrise ihre Strom- und Gaskosten im Blick (Bild: HandmadePictures/canva).

Nicht nur Endverbraucher sind verunsichert, auch andere Akteure kommen an ihre Grenzen. Welchen Herausforderungen stehen Hersteller und Installateure gegenüber?

Dr. Tomas Jerković: Für Hersteller besteht die Herausforderung darin, mit den aktuellen Produkten den Bedarf der Kunden zu decken. Es gibt eine starke Nachfrage nach Energiespeichern, Wallboxen, Photovoltaikanlagen, Wärmepumpen und neuerdings auch Balkonkraftwerken. Gleichzeitig bauen einige Endkunden gerade jetzt noch Öfen, Öl- und Gasheizungen ein, bevor das neue Heizungsgesetz in Kraft tritt.

Julia Haug: Installateure müssen sich auf Techniken mit Stromversorgung umstellen und dabei Fragen zur Stromherkunft und zur Umstellung in älteren Gebäuden berücksichtigen. Dazu kommt, dass Produktions- und Lieferengpässe die Arbeit nach wie vor erschweren: Die aktuelle Wartezeit auf eine Wärmepumpe beträgt aufgrund Materialmangels derzeit über ein Jahr.

Immer mehr Interessengruppen müssen sich aufeinander abstimmen. Was müssen Unternehmen im Energiemarkt tun, um angesichts der hochkomplexen Lage wettbewerbsfähig zu bleiben?

Julia Haug: Generell sollte man die Komplexität der Situation nicht unterschätzen und sich bewusst sein, dass heute mehr Akteure im Spiel sind als noch vor wenigen Jahren. Unternehmen müssen heute über ein breites Wissen und Kompetenzen verfügen, um den komplexen Anforderungen gerecht zu werden. Im B2C-Endkundengeschäft sind von Energieversorgungs-unternehmen nicht nur Beratungskompetenzen zum besten Tarif gefragt, sondern auch zum Verständnis von Gesetzen, Fördermöglichkeiten und Hardware. Die Energiemarktforschung spielt in Punkto Wettbewerb eine zentrale Rolle, wenn es darum geht Transparenz, Vertrauen und die Attraktivität eines Angebots zu steigern. Customer Experience und Customer Journey gewinnen in der Energiebranche noch mehr an Relevanz und müssen weiterhin optimiert werden.

Die Klima- und Energiekrise treibt den Wunsch nach erneuerbaren Energien, Unabhängigkeit und Autonomie voran (Bild: sturi/canva).

Wie könnt ihr mit der Energiemarktforschung gezielt Unternehmen unterstützen?

Dr. Tomas Jerković: Zum Beispiel können wir durch die Analyse der Customer Journey die Interaktionen, Bedürfnisse und Herausforderungen der Kunden besser verstehen. Das ermöglicht Unternehmen, ihre Produkte und Dienstleistungen zu optimieren und ein nahtloses Kundenerlebnis zu schaffen. Die Energiemarktforschung ist auch sehr nützlich, um den Markt und die Preisgestaltung zu analysieren. Unternehmen können dadurch ihre Tarife anpassen und optimieren.

Julia Haug: Wichtig ist auch eine umfassende Zielgruppenanalyse. Erst wenn ich meine Zielgruppe kenne, habe ich die Möglichkeit, Marketing- und Kommunikationsstrategien anzupassen und maßgeschneiderte Botschaften und Angebote zu entwickeln – insbesondere für spezifische Zielgruppen wie Handwerker oder Entscheider von Unternehmen.  Daneben unterstützen wir mit unserer Forschung dabei, regelmäßig die Kundenzufriedenheit zu messen und mit Hilfe unserer Grundlagenforschung und GIM Foresight zukünftige Trends im Energiemarkt abzuleiten.

Wo ist eurer Meinung nach der Forschungs- und Optimierungsbedarf besonders groß?

Dr. Tomas Jerković:  Der moderne Energiekunde wird in Teilen dem „(halb-) informierten Patienten“ im Gesundheitsbereich immer ähnlicher: Viele Endverbraucher kennen ihre Verträge und Tarife, fühlen sich aber dennoch aufgrund der sich stetig wandelnden Situation unsicher. Umso wichtiger ist es, eine nahtlose digitale Erfahrung zu schaffen, angefangen von der Tarifauswahl, über aktuelle Informationen bis hin zur Vertragsverwaltung. Eine gute Customer Journey und Customer Experience trägt maßgeblich zur vertrauensvollen Kundenbindung und Kundenneugewinnung bei.

Für Energieversorger ist die Customer Experience, also auch die Kundenzufriedenheit, das A und O. Wie könnte ein optimiertes Kundenerlebnis aussehen?

Julia Haug: Ein optimiertes Kundenerlebnis umfasst verschiedene Elemente: Voraussetzung dafür ist die Identifikation der verschiedenen Touchpoints von Kunden mit dem Unternehmen. Das heißt, an welchen Punkten kommen Kunden mit dem Unternehmen in Kontakt? Gemeint sind hier vor allem digitale Kanäle wie die Website, eine App, soziale Medien oder über den telefonischen Kundenservice, bzw. eine persönliche Beratung.

Die GIM hat Erfahrung in der Forschung mit allen Akteuren von der Hersteller-Seite, Stadtwerke und Energieanbieter sowie öffentlichen Auftraggebern.

Dr. Tomas Jerković: Darüber hinaus erfordert ein gutes Kundenerlebnis eine effektive interne Koordination und Kommunikation zwischen den verschiedenen Abteilungen. Eine positive Customer Experience sollte durch personalisierten Service, schnelle Reaktionszeiten und Lösungsorientierung gewährleistet werden. Insbesondere im B2C- und B2B-Bereich ist die regionale Präsenz der Energieversorger von Bedeutung. Persönliche Beratung und Betreuung der Kunden vor Ort können dazu beitragen, eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen und Kundenbedürfnisse besser zu verstehen.

Julia Haug: Und dann ist da noch die Kundenbindung. Das kann durch innovative Tarife, das Anbieten von Zusatzleistungen wie Energiesparberatung oder Smart-Home-Lösungen und einen schnellen, zuverlässigen Kundenservice erfolgen. Derzeit stabilisiert sich der Energiemarkt. Das ist eine optimale Chance, um sich neu auszurichten und auf den Wettbewerb vorzubereiten.

Kontakt

Bei Fragen wenden Sie sich gerne jederzeit an unsere Expert:innen oder besuchen Sie unsere Webseite.

Dr. Tomas Jerković
Senior Research Director
T.Jerkovic@g-i-m.com

Julia Haug
Senior Research Manager
J.Haug@g-i-m.com

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