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Homecare & Beauty-Trends in Zeiten von Corona

Zuletzt aktualisiert: 31. März 2021
Make-Up und manikürte Hände am Laptop
24. Februar 2021 | GIM foresight und GIM Beauty & Homecare

Welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie auf die Branche? Und wie beeinflussen Megatrends wie Nachhaltigkeit die KonsumentInnen? Über Homecare und Beauty Trends während Corona haben sich die Zukunftsexperten von GIM foresight (Dr. Hannes Fernow und Michael Mletzko) mit den GIM Expertinnen für den Bereich Homecare & Beauty unterhalten (Tina Choi-Odenwald und Maria Wronka).

GIM Foresight: Maria und Tina, ihr verantwortet bei der GIM die Homecare & Beauty Forschung. Inwiefern betrifft das ‚New Normal‘ neben gesellschaftspolitischen und soziokulturellen Veränderungen auch den Mikrokosmos der alltäglichen Haushaltsgüter, also auch Beauty-Trends, mit denen ihr euch beschäftigt?

Maria: Augenfällig sind natürlich Umsatzrückgänge, die besonders den Bereich Deko-Kosmetik betreffen. Wir denken jedoch, dass dies auf die aktuelle Pandemie-Phase begrenzt ist und keinen langfristigen Trend darstellt. Tiefgreifender sind Veränderungen im Fühlen und Verhalten, auf Werte- und Einstellungsebene.

Zum Beispiel?

Tina: Covid-19 hat die Menschen gezwungen nicht nur ihr Leben maßgeblich auf den privaten Raum zu begrenzen, sondern auch tiefgreifend in zwischenmenschliche Rituale und Umgangsformen eingegriffen. Man denke an die Praktik des Händeschüttelns oder Umarmens. Ich glaube zwar nicht, dass diese Alltagsgesten im Zuge der Corona-Krise aussterben werden, aber ein Unbehagen wird bleiben, wenn es um gemeinschaftlich genutzte Oberflächen oder Begegnungen im Nahbereich geht.

Maria: Wir erleben eine starke Konzentration auf das Selbst und auf das Zuhause. Dies teils erzwungen durch die Lockdowns, teils jedoch auch als eine Rückbesinnung auf das Wesentliche und auf das Kontrollierbare in einer Zeit des stark empfundenen Kontrollverlustes. Ein weiterer Aspekt ist das verstärkte Hygieneempfinden, das unseren Alltag, unsere Produktanforderungen und unsere Produktroutinen beeinflusst – und das sowohl im Haushalts- als auch im Körperpflegebereich.

GIM foresight Eigenstudie Der Schwarze Schwan COVID-19

Übrigens: GIM foresight hat eine Eigenstudie zum Wertewandel nach der Pandemie veröffentlicht : "Der schwarze Schwan COVID-19". Die Studie könnt Ihr hier kostenlos herunterladen (Link)
Bild: Getty Images/Jobalou, Montage: GIM

Welche Auswirkungen seht ihr hier konkret auf Produktebene?

Maria: Früher war der Gebrauch von Desinfektionsmitteln unter KonsumentInnen weitgehend verpönt – zu tief saß die Überzeugung, durch übertriebene Hygiene Allergien Vorschub zu leisten und das Immunsystem zu schwächen. Nun sind Desinfektionsmittel salonfähig geworden und finden in jedem Beauty-Case Platz. KonsumentInnen werden derzeit mit Problemen konfrontiert, die vorher medizinischem Fachpersonal vorbehalten waren: Die Haut leidet unter häufigem Waschen und Desinfizieren. Hier sehen wir Potential für neue Produkthybride: Desinfektionsmittel mit Pflege-Benefits, Pflege mit desinfizierenden Eigenschaften oder Inhaltsstoffen.

Tina: Auch im Bereich dekorative Kosmetik und in der Mode sehen wir aktuelle Beauty Trends. Make-Ups sollten zum Beispiel maskentauglich sein, Kleidung flimmerfrei und damit videokonferenztauglich – Textil-Masken waren kurzzeitig das neue It-Accessoire.

Frau kauf während Corona-Pandemie Putz- und Waschmittel
Die Corona-Pandemie hat das Kaufverhalten verändert: KonsumentInnen probieren weniger Neues aus, wenn Produkte nicht getestet werden können. Bild: istock.com/eldinhoid

Das Kaufverhalten hat sich ebenfalls gewandelt, was Konsequenzen für die Branche nach sich zieht. Langes Herumstöbern an Beauty-Theken macht lange nicht mehr so viel Spaß, wenn vor dem Geschäft eine lange Schlange steht oder man eine Maske dabei tragen muss. Tester werden zudem als unhygienisch empfunden oder gar nicht mehr angeboten. Dabei lebt gerade das dekorative Kosmetikgeschäft von spontanen Lustkäufen. Wir bekommen von KonsumentInnen zurückgemeldet, dass sie momentan nur bekannte Produkte nachkaufen und nichts Neues ausprobieren, weil sie es nicht im Geschäft ausprobieren können oder wollen.

Die Corona-Krise verstärkt ja auch Megatrends, die die postpandemische Gesellschaft verstärkt prägen werden. Welche Beobachtungen habt ihr hier konkret gemacht?

Maria: Wir können hier den Trend zur Re-Lokalisierung aufgreifen. Während der Krise, insbesondere in den Monaten des Lockdowns haben die Menschen gezwungenermaßen ihre geographische und emotionale Heimat stärker kennen- und schätzen gelernt. Die lokale Solidarität ist gewachsen, sowie auch das Bewusstsein, dass es wichtig ist, lokal einzukaufen, um nach dem Lockdown die regionale Wirtschaft zu unterstützen. Das gilt natürlich branchenübergreifend.

Tina: Dazu passt auch der Trend der Gestaltung: Wenn deutlich mehr Zeit in den eigenen vier Wänden verbracht wird, kommt diesem Bereich mehr Aufmerksamkeit und Wertschätzung zu. Aber der Blick fällt auch auf Defizite und erzeugt den Wunsch nach Optimierung. Die langen Schlangen vor den Baumärkten und der DIY-Boom der letzten Monate haben das gezeigt.

Übrigens: Mehr Informationen über GIM Cleaning & Washing findet ihr auf der Branchen-Website (hier klicken).
Bild: Vadimguzvha

Inwiefern ist dieses Phänomen auf die Phasen des Lockdowns beschränkt, in welchen vielleicht auch zwangsläufig nach Beschäftigung gesucht wurde?

Maria: Ich denke, es handelt sich hier um eine Verschiebung des Blickes, eine komplette Neubewertung des Themas ‚Zuhause‘. Einerseits im Sinne einer Aufwertung, was Investitionen in den Homecare Bereich sowie ein gesteigertes Qualitätsbewusstsein fördert. Andererseits geht mit der Etablierung des Home-Office eine deutliche Zunahme von zuhause verbrachter Zeit einher.

Tina: Das hat nicht nur ästhetische, sondern auch praktische Implikationen: Einrichtungsgegenstände werden vermehrt genutzt und offenbaren so ihre Schwachstellen, es wird selbst oder auch öfter geputzt. Mit dem fehlenden Außenkontakt schwindet zudem das Bedürfnis nach Parfüm oder aufwändigem Make-Up.

Maria: Ein Phänomen hängt dabei besonders mit dem Lockdown zusammen: Der verstärkte Beauty Trend im Bereich der Heim-Anwendungen, z.B. sich daheim alleine die Haare zu färben oder kosmetische Anwendungen auszuprobieren. Die Menschen sehen sich dazu gezwungen, weil die entsprechenden Einrichtungen geschlossen sind.

Frau färbt sich zu Hause im Corona-Lockdown die Haare selbst
Beauty DIY im Lockdown: Viele Menschen haben sich die Haare zu Hause gefärbt und geschnitten. Bild: istock.com/gpointstudio

Tina: Teils geschieht der DIY Beauty Trend aber auch aus dem starken Bedürfnis der Selbst-Kontrolle und der Flexibilität heraus. Lerne ich nun, mein Haar selbst zu färben, so erlange ich ein Stück Kontrolle zurück in Zeiten des totalen Kontrollverlustes und der Fremdbestimmung. Leider geht das natürlich auch immer wieder in die Hose, denn so gut wie beim Friseur wird es zu Hause oftmals doch nicht.

Wenn sich das Leben zunehmend in private Rückzugsräume verlagert, sich die Bewegung im öffentlichen Raum auf ein Mindestmaß begrenzt und Begegnungen vermieden werden, dann spielt Sehen und Gesehen werden kaum noch eine Rolle. Welchen Impact hat das auf die Beautyindustrie und Beauty Trends?

Maria: Tatsächlich gab es insbesondere im Lockdown, aber auch durch ein kaum stattfindendes öffentliches und kulturelles Leben deutlich weniger Gelegenheiten sich zu zeigen. Ebenso fehlt die Inspiration durch andere Menschen, man sieht nicht was gerade „in“ ist. Der Trendmaschinerie in fashiongetriebenen Industrien wie Mode und Deko-Kosmetik wird momentan der Nährboden entzogen.

Tina: Das zeigt sich auch im Umsatzrückgang bei Mode und Kosmetikprodukten. Insbesondere Lippenstift – sonst ein Krisengewinner – ist zum Ladenhüter geworden. Allerdings verlagern sich auch die Schauplätze: Wenn Maske getragen wird, stehen die Augen im Fokus. Wir kennen diesen Effekt von verschleierten Frauen in der arabischen Welt.

Make-Up und manikürte Hände am Laptop
Beauty Trends im Homeoffice: Augen- und Teint-Make-Ups werden stärker eingesetzt! Bild: istock.com/artursfoto

Maria: In Sachen Mode zeigt sich auch, dass es nicht zwangsläufig nur ein Rückgang, sondern vielleicht auch manchmal eine Umorientierung ist. Im Home-Office ist legere und bequeme Kleidung wichtiger denn je. Und Zoom Konferenzen erfordern ebenso wie Film und Fernsehen beispielsweise ein deutlich stärkeres Augen- und Teint-Make-Up. Übrigens wird dies auch Männern nahegelegt. Männer-Make-up ist sowieso ein Trend, der bereits vor Corona schon eingesetzt hat. Das wird sicherlich auch danach noch eine Rolle spielen.

Man könnte sagen, wir durchleben derzeit bei kurzfristigen Homecare und Beauty Trends und Moden ein Trendmoratorium. Dennoch ist zu erwarten, dass mit dem Ende der Pandemie auch das soziale Leben wieder aufblühen wird. Ist das nur ein kurzzeitiges Innehalten?

Tina: In vielerlei Hinsicht ja, anderes wird jedoch bleiben. Wir werden sicherlich wieder herausströmen, wenn nähere menschliche Kontakte und kulturelle Aktivitäten wieder möglich werden. Wir erfahren ja aktuell einen starken Mangel an richtigen ‚Erlebnissen‘. Dies kompensieren wir durch den starken Fokus auf Genuss und Selbst-Verwöhnen zu Hause. Heute ist der Supermarkt die einzige Flaniermeile, der Rechner im häuslichen Büro der einzige Arbeitsplatz für Viele. Da wird es sicherlich zu einem kurzen Boom kommen, sobald es wieder möglich ist, unbeschwert in den Fußgängerzonen einkaufen zu gehen und auch abends wieder am kulturellen Leben teilzunehmen. Die dekorativen Kosmetik-Produkte werden wieder stärker an Bedeutung gewinnen sowie auch die Mode. Das stärkere Hygiene-Empfinden wird jedoch sicherlich erhalten bleiben, da wir nun alle die möglichen Bedrohungen durch Viren kennengelernt haben und Corona wahrscheinlich auch nicht der letzte Virus sein wird, der uns beschäftigt.

Übrigens: Mehr Informationen über GIM Beauty & Personal Care findet ihr auf der Branchen-Website (hier klicken).
Bild: ArthurHidden

Maria: An dem Bedürfnis nach Pflege und äußerlicher Schönheit wird sich jedoch nichts ändern. Aber wir dürften einen Wertewandel bzw. eine Verstärkung von bestimmten Einstellungsmustern erleben. Schönheitspflege ist zunehmend intrinsisch motiviert: Es geht auf Motivebene immer weniger darum für andere schön zu sein, sondern vielmehr ein persönliches Well-Being zu erreichen, sich selbst zu verwöhnen und gefallen. Die Corona-Krise hat uns darüber hinaus auch die Schattenseiten unserer Konsumlust vor Augen geführt. Wenn aus wirtschaftlichen Gründen ganze Kollektionen vernichtet werden, wird bei den KonsumentInnen auch eine Reflektion über die Wirtschaftskreisläufe unserer Gebrauchsgüter einsetzen.

Hier gebt ihr uns ein gutes Stichwort an die Hand, um eines unserer Schwerpunktthemen aufzugreifen. Welchen Stellenwert hat Nachhaltigkeit zukünftig, wenn es um Beauty und Homecare geht?

Maria: Nachhaltigen Produkten hing lange Zeit ein unattraktives Öko-Image an oder sie wurden mit elitären Zielgruppen wie den LOHAS assoziiert. Wir beobachten hier jedoch schon seit Jahren einen tiefgreifenden Bewusstseinswandel. Nachhaltigkeit ist kein Lippenbekenntnis, sondern wird von einem Großteil der VerbraucherInnen schlicht erwartet. Wer erfolgreich sein will, positioniert sich kommunikativ abseits von Verzicht, Beschränkung und erhobenem Zeigefinger. Zukünftig wird es darauf ankommen, Nachhaltigkeit mit persönlichen Mehrwerten zu verknüpfen: Gesundheit, Genuss, Spaß UND ein gutes Gewissen.

Tina: Der Wunsch nach nachhaltigeren Produkten ist in der Tat in der breiten Masse angekommen. Nicht zuletzt auch befeuert durch die aktuelle Situation: Es gibt eine Rückbesinnung auf die eigene Gesundheit und ein Bewusstsein dafür, welche Folgen der Raubbau des Menschen an der Natur und an der Tierwelt haben kann. Insofern ist das natürlich eine begrüßenswerte Entwicklung beim Verbraucher, die nun hoffentlich von der Industrie sinnvoll aufgegriffen wird.

 

Vielen Dank euch für das Gespräch, echt spannend!

Die gute Nachricht: Wir können Unternehmen auf dem Weg zu einer nachhaltigen Markenführung begleiten und dabei unterstützen, das Konsumentenverständnis in dieser Zeit der Transformation zu erweitern. Letztes Jahr ist unsere Studie Nachhaltigkeit und Markenführung erschienen, mit Deep Dives für insgesamt 15 Branchen.

GIM foresight


Dr. Hannes Fernow
Director Foresight
fernow@gim-foresight.com


Michael Mletzko

Senior Foresight Manager
mletzko@gim-foresight.com

Weitere Informationen unter

GIM Beauty & Home Care


Tina Choi-Odenwald

Senior Research Manager
t.choi-odenwald@g-i-m.com


Maria Wronka

Senior Research Manager
m.wronka@g-i-m.com

Weitere Informationen unter

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  • 5 Zukunfts-Insights für die Home&Beauty-Branche: Das Whitepaper zum Gespräch könnt ihr hier downloaden (Link)
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Headerbild: istock.com/artursfoto

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