Veränderung braucht Verbundenheit – Marken-Lehren aus der Debatte um die Rentenreform

Zuletzt aktualisiert: 2. Dezember 2025
Zwei kleine Figuren, die auf einem Stapel Münzen sitzen, während im Hintergrund mehrere größere Münzstapel unscharf zu sehen sind.

Wenn selbst Fachleute protestieren, junge Abgeordnete aufbegehren und Parteifreunde öffentlich Kritik äußern, steht mehr auf dem Spiel als nur ein Gesetzespaket. Der Disput um die Rentenreform der Bundesregierung ist ein Fallbeispiel dafür, wie Erneuerung ins Abseits geraten kann – nicht, weil sie schlecht gedacht ist, sondern weil sie zielgruppenübergreifend zu wenig Anschluss bietet. Und genau das macht die Debatte so relevant – auch über die Politik hinaus.

Wenn aus Fortschritt Reaktanz wird

Eigentlich soll das Rentenpaket zukunftssichernd sein. Doch viele junge Menschen – insbesondere die ab 1980 Geborenen – finden sich darin kaum wieder. Der Eindruck: Der Vorschlag berücksichtigt mehr partikulare Interessen (etwa durch Lobbyforderungen) als gesellschaftliche Vielfalt oder langfristige Generationengerechtigkeit.

Psychologisch lässt sich das mit dem Prinzip der Reaktanz erklären – einer inneren Abwehrreaktion gegen wahrgenommene Bevormundung oder Fremdsteuerung. Dieses Konzept stammt aus der Motivationspsychologie (Jack W. Brehm, 1966) und zeigt: Werden Handlungsspielräume eingeschränkt oder Erwartungen enttäuscht, reagieren Menschen mit Ablehnung, Rückzug oder Trotz – selbst gegenüber gut gemeinten Maßnahmen. Vertrauen und Zustimmung entstehen nicht durch gute Absichten, sondern durch aktive Einbindung.

Drei Fallstricke – und wie man sie vermeidet:

1. Wandel ohne Wirklichkeit: Zielgruppen bleiben außen vor

Ob junge Beitragszahler in der Rentenfrage oder jüngere Kund:innen bei Marken: Wer Erneuerung verantwortet, muss zuhören. Wird der Wandel zu sehr intern oder, sagen wir, elitenzentriert gedacht, droht er draußen zu verpuffen. Auch Marken erleben das: Wenn Unternehmen Konsument:innen nicht mitnehmen oder vor vollendete Tatsachen stellen, entsteht oft Reaktanz – etwa bei radikalen Relaunches oder Preisänderungen ohne Erklärung. So verlor Tropicana-Limonade 2009 massiv Umsatz nach einem unerklärten Verpackungsrelaunch, Unilever löste mit einer plötzlichen Marmite-Preiserhöhung 2016 einen Shitstorm gegen den Brotaufstrich aus; beide Fälle zeigen, wie fehlende Kommunikation zu starker Reaktanz führen kann.

2. Erneuerung ohne klare Richtung: Zwischen Flickwerk und Schnellschuss

Das Rentenpaket wirkt für viele wie ein Sammelsurium einzelner Maßnahmen. Eine kohärente, verständliche Storyline fehlt. Dasselbe Problem sehen wir in Markenrelaunches, etwa im Fashion-Bereich, wenn Einzelkampagnen nicht aufeinander einzahlen. Zalando verlor 2022 an Markenprofil, als mehrere unverbundene Stil‑ und Imagekampagnen parallel liefen, GAP scheiterte 2010 mit seinem abrupt eingeführten Logo‑Rebranding; beide Fälle zeigen, wie inkonsistentes Kleinklein ohne klaren Markenkern sofort Irritationen auslöst. Konsistenz ist keine Langeweile – sie ist Orientierung. Und essenziell.

3. Expertise ohne Resonanz: Legitimität im Public Sector

Fachwissen ist unverzichtbar. Doch wenn Bürger:innen den Eindruck bekommen, dass Lobbyinteressen stärker zählen als gesellschaftliche Belange und einfache Logiken, sinkt die Akzeptanz. Gute Public-Kommunikation lebt zum Beispiel davon, Stakeholder frühzeitig zu involvieren. Best Practice: Die Impfkampagne „Ich schütze dich" (2022) –  wissenschaftlich fundiert, aber mit emotionalem und gesellschaftlichem Andockpunkt. So funktioniert Vertrauensaufbau im Wandel.

Fazit: Veränderung, die trägt, braucht Anschlussfähigkeit

Ob Politik, Konsummarke oder NGO – wer Wandel will, muss Zielgruppen nicht nur einplanen, sondern ernsthaft einbinden. Ohne diesen Resonanzraum verpufft selbst die beste Reformidee oder Produktinnovation. Erst wenn Menschen sich wertgeschätzt, gehört und mitgenommen fühlen, wird aus Strategie Vertrauen – und aus Planung: Wirkung.

FAQ – Was Marken, Politik & Public Sector jetzt lernen können

Warum scheitern Erneuerungsvorhaben häufig?

Weil sie am Reißbrett geplant werden – ohne echten Dialog. Wer Zielgruppen nur verwaltet, nicht richtig mit ihnen spricht und sie versteht, verliert Legitimität und Vertrauen.

Welche Rolle spielt Forschung dabei?

Eine zentrale. GIM unterstützt mit qualitativen und quantitativen Ansätzen – unter anderem von Zielgruppenanalysen und dem Online-Panel GIMpulse  über Cultural Insights bis zur Wirkungsmessung.

Was ist das Risiko bei konstruierten Kompromissen?

Kompromisse, die keiner versteht, werden schnell als verwässert wahrgenommen. Gerade in komplexen Märkten (wie B2B Technology, Finance, Public) droht so der Vertrauensverlust.

Wann braucht es externe Unterstützung?

Wenn intern der Blick verengt oder polarisierte Reaktionen auftreten. Ein externer Partner wie GIM hilft mit evidenzbasierten Insights, blinde Flecken zu vermeiden – und objektiv ins Handeln zu kommen.

Wie hilft GIM konkret?

Zu den Möglichkeiten zählen: fundierte Zielgruppenforschung, Brand/Cultural Tracking, Kommunikationsberatung und Wirkungsanalysen – für Veränderung, die anschlussfähig und tragfähig ist.

Jetzt mit uns ins Gespräch kommen – für Wandel mit Wirkung!

Alexandra Wachenfeld-Schell

Senior Research Director

Dr. Jörg Munkes

Managing Director

Heidelberg

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