Ob Hustenmittel oder nachhaltige Verpackung: Manchmal ist es gerade das Unperfekte, das Vertrauen schafft. Ein scheinbarer Makel kann als „Echtheitsbeweis“ wirken – und damit Markenbotschaften stärken, statt sie zu schwächen. Die Verhaltenspsychologie kennt für dieses Phänomen einen Namen: Counter Finality. Ein Überblick mit vier Beispielen aus unterschiedlichen Branchen.
Wenn Schwäche stärkt: Was hinter Counter Finality steckt
Counter Finality beschreibt den Effekt, dass ein kleiner Nachteil die Glaubwürdigkeit eines Vorteils stärkt. Einer der bekanntesten Anwendungsbereiche: Medizin. Ein bitterer Geschmack wird hier nicht unbedingt als Nachteil empfunden, sondern oft als Signal für Wirksamkeit: „Wenn es so schlimm schmeckt, muss es ja helfen.“ Dieses Prinzip wird unterstützt vom Konzept der Costly Signals – Signale, die Kosten oder "Opfer" demonstrieren, um Glaubwürdigkeit zu erhöhen.
Branchenbeispiele: Wie Marken Counter Finality gezielt einsetzen
Healthcare: Listerine ist der Klassiker. Das intensive Brennen beim Spülen gilt als Beweis für antibakterielle Wirksamkeit. Auch bei Hustensaft wird das unangenehme Geschmackserlebnis oft als Beleg für die Effektivität wahrgenommen. Marken profitieren davon, wenn sie den „unangenehmen Moment“ nicht wegerklären, sondern im Zweifel bewusst stehen lassen.
Food & Nachhaltigkeit: Verpackungen mit Recycling-Materialien dürfen ruhig nach recyceltem Karton aussehen. Der etwas „raue“ Eindruck erhöht die Authentizität: „Hier wurde zugunsten der Umwelt auf perfekte Optik verzichtet.“ Unilever, Alnatura oder Oatly nutzen diese Imperfektion gezielt als Markenmerkmal.
Fashion & Beauty: „No-Filter“-Kampagnen, sichtbare Poren, bewusst unretuschierte Bilder: Viele Beauty- oder Modebrands nutzen heute eine Präsentation, die bewusst nicht makellos wirkt. Auch hier: Die kleine "Unschönheit" erzeugt Vertrauen, Nahbarkeit und Differenzierung.
Public Sector: Selbst öffentliche Stellen, etwa Ämter für Finanzen & Co., können mit Counter Finality arbeiten. Etwa in der Darstellung von Verwaltungsprozessen, bei denen bestimmte Zwischenschritte oder Wartezeiten als Zeichen für Gründlichkeit, Profitabilität und Sicherheit kommuniziert werden.
Fazit: Vertrauen braucht Reibung, zumindest ein wenig
Nicht jede Schwäche ist ein Makel und nicht jede Perfektion ein Vorteil. Besonders in einer Zeit der KI-generierten Inhalte, der glattgebügelten Werbung und Produkt- sowie Angebotsähnlichkeit brauchen Marken Momente der Echtheit. Counter Finality zeigt: Die Wirkungskraft kleiner Imperfektionen kann größer sein als jede glatt inszenierte Botschaft.
FAQ: Was bedeutet Counter Finality für Ihre Marke – wie kann ich profitieren?
Was ist Counter Finality in der Markenkommunikation?
Ein psychologisches Prinzip, bei dem eine kleine Schwäche oder ein spürbarer „Nachteil“ die Glaubwürdigkeit eines Vorteils stärkt. Beispiel: bitterer Geschmack = stärkere Wirkung.
Warum wirkt das Prinzip?
Weil es Echtheit und Einsatz signalisiert. Ein „opferbereites“ Produkt scheint ehrlicher, nahbarer und damit vertrauenswürdiger.
Wie kann ich das Prinzip in einer Kampagne einsetzen?
Hinterfragen Sie: Gibt es Imperfektionen, die Ihre Position stärken können? Das können Geschmack, Material, Design oder Botschaft sein – wichtig ist die glaubwürdige Rahmung.
Welche Branchen profitieren besonders?
Viele, unter anderem: Healthcare, Food, Beauty, aber auch Public – dort, wo Vertrauen vor Perfektion geht. Zumindest graduell.
Wie unterstützt GIM?
Beispielsweise psychologischer Fundierung, qualitativer Marktforschung, Konzepttests und Kommunikationsanalysen prüfen wir, wie Ihre Zielgruppen auf Costly Signals reagieren – und welche Wirkung das für Ihre Marke entfalten kann.

Sebastian Klein
Senior Research Director

Dr. Jörg Munkes
Managing Director
Heidelberg





